Erwartungen bei Impfstoffen, Standards und Sorgfaltspflicht

Von Wendy White, Egencia CMO
Letzte Woche habe ich mich mit Dr. William Hauptman, Medical Director bei International SOS, und Bruce McIndoe, dem bekannten Experten für das Management von Reiserisiken und Gründer von World Aware, zu einer Fragerunde getroffen. Dabei haben wir uns über die aktuellen Nachrichten zu den Impfstoffen unterhalten und darüber, wie sich dies wohl auf das Geschäftsreisemanagement im nächsten Jahr auswirkt.
Egencia: In den letzten Wochen gab es immer wieder gute Neuigkeiten in Bezug auf die Impfstoffe für COVID-19. Wie sollten wir die Sicherheit und Effizienz dieser Impfstoffe bewerten?
Dr. Hauptman: Es gibt sowohl richtig schlechte als auch richtig gute Nachrichten. Die schlechten sind steigende Fallzahlen und sinkende Krankenhauskapazitäten in vielen Ländern. Es wird ein harter Winter für uns. Die gute Nachricht allerdings ist, dass es weltweit 58 Impfstoffe in der Versuchsphase gibt. Sechs davon befinden sich bereits in einer der finalen Phasen. Sie alle nutzen unterschiedliche Plattformen und Technologien und werden daher aller Wahrscheinlichkeit nach auch unterschiedlichen Erfolg bei verschiedenen Populationen zeigen. Fast zu schön um wahr zu sein ist die Nachricht, dass es bereits zwei Impfstoffe gibt, die gerade genehmigt werden und eine Effizienz von fast 95 % aufweisen. Das ist unglaublich, wenn man bedenkt, dass unser ursprüngliches Ziel bei gerade einmal 50 % lag. Die Impfstoffe werden bereits im Laufe dieses Monats zur Verfügung stehen.
Egencia: Wie wird die Verteilung des Impfstoffs weltweit aussehen, und was bedeutet das für Geschäftsreisen?
Dr. Hauptman: Auf keinen Fall werden uns die Impfstoffe eine 180-Grad-Wende zur Normalität ermöglichen. Der Prozess wird vielmehr schleichend geschehen, wenn der Impfstoff ausgegeben wird und wir die Auswirkungen und die Übertragungsrate sehen können. Wir brauchen Zeit, um zu verstehen, wie lange die Wirkung anhält und ob und wie oft Auffrischungsimpfungen nötig sind, um den Schutz aufrecht zu erhalten. Es gibt immer noch sehr vieles, was wir nicht verstehen.
Bruce McIndoe: Dem kann ich nur zustimmen. Die Impfstoffe werden wahrscheinlich erst in der zweiten Hälfte 2021 und im nächsten Jahr zu spürbaren Erleichterungen führen. Es liegt noch ein hartes Stück Arbeit vor uns, um auch „Impfskeptiker“ zu überzeugen und 50−70 % der Bevölkerung zu impfen. Erst ab einem solchen Niveau ist so etwas wie Herdenimmunität möglich. Noch für einige Jahre werden uns Tests , Einschränkungen (Masken, Social Distancing) und die globale Verteilung des Impfstoffs in Atem halten, während wir die Produktion und Distribution hochfahren.
Egencia: Was bedeutet das alles für die Wiederaufnahme von Geschäftsreisen?
Dr. Hauptman: Das hängt vermutlich ganz davon ab, ob es sich dabei um Reisen im Inland oder ins Ausland handelt. Ich glaube, dass in einigen Ländern Mitte nächsten Jahres Inlandsreisen wieder fast so wie früher möglich sein werden. Internationale Reisen haben es da schon schwerer, weil es in den einzelnen Ländern unterschiedlich gut um die Impfsituation bestellt ist. Auch die komplexen Anforderungen der einzelnen Zielländer machen es nicht leichter.
Egencia: Einige Fluggesellschaften haben bereits angekündigt, dass internationale Reisen zukünftig nur mit einem Impfnachweis möglich sein sollen. Was wird das vermutlich für Auswirkungen haben?
Bruce McIndoe: Solche Impfnachweise gibt es bereits für zahlreiche andere Krankheiten. Bei Reisen in ein gefährdetes Gebiet beispielsweise muss der Reisende nachweislich gegen Gelbfieber geimpft sein. Bei COVID-19 wird das nicht anders sein, sobald der Impfstoff erst einmal allgemein verfügbar ist. Das ist das Wichtigste für die Erstellung von Zeitplänen jeglicher Art: Die allgemeine Verfügbarkeit.
Dr. Hauptman: Wie Bruce schon gesagt hat, steht uns eine Art Schwebezustand bevor. Heutzutage fordern Fluggesellschaften und die Reiseziele einen negativen PCR-(COVID-19)-Test − manchmal sogar bis zu drei Mal vor der Reise oder Ankunft. Die nächsten zwei Jahre werden eine Art Übergangsphase von PCR-Tests hin zu Impfungen sein. In der Zwischenzeit allerdings werden wir eine Mischung aus Tests vor der Reise, Impfungen und Tests am Reiseziel haben.
Egencia: Wir arbeiten seit Jahren mit dem Impfpass. Was braucht es, um einen elektronischen oder schriftlichen, aber trotzdem reibungslosen Austausch von Impfdaten und damit auch problemlos Geschäftsreisen zu ermöglichen?
Bruce McIndoe: Die Initiative „Travel Again“ ist gerade dabei, Standards auszuarbeiten. Aktuell liegt das Hauptaugenmerk darauf, Tests zu ermöglichen und diese Standards zu vereinfachen. Zwei andere Organisationen arbeiten ebenfalls daran, einen Standard für elektronische Reisedokumente zu etablieren. IATA konzentriert sich auf die Luftfahrt, damit die einzelnen Fluggesellschaften keine eigenen Richtlinien erarbeiten müssen. Das Weltwirtschaftsforum hat ein Programm namens „CommonPass“ ins Leben gerufen, mit dem Standards für Gesundheitsdokumente länderübergreifend vereinheitlicht werden sollen.
Egencia: Welche Aufgaben hat ein Travel Manager in der aktuellen Situation?
Bruce McIndoe: Die Situation ist sehr unübersichtlich, ständig ändern sich die Anforderungen hinsichtlich Ein- und Ausreise, Tests und Impfstatus. Auch die Risikofaktoren für die Reisenden sind praktisch jeden Tag anders. Travel Manager haben da so gut wie keine Chance, wenn wir, die Reiseindustrie, ihnen nicht unter die Arme greifen.
Das Travel-Management-Unternehmen muss sich um die wichtigsten Faktoren bei der Ein- und Ausreise kümmern und Travel Managern Tools an die Hand geben, mit denen sie den Status der Reisenden überprüfen können. Also genau das, was Egencia bereits tut. Das ist aktuell wirklich das A und O bei Geschäftsreisen. TMCs müssen dies als automatische Funktion in ihre Buchungsplattformen integrieren, und zwar zu dem Zeitpunkt, an dem Reiseentscheidungen getroffen werden.
Dr. Hauptman: Absolut. Travel Manager müssen erkennen, dass ihre Sorgfaltspflicht jetzt sehr viel mehr umfasst als früher. Sie müssen nicht nur für Impfungen plädieren und vorbeugende Maßnahmen wie Reise-Kits ergreifen. Vielmehr müssen sie auch aktiv die Reisenden darüber informieren, wie sie selbst das Risiko senken können, beispielsweise durch die Einhaltung von Hygiene-Standards, das Tragen einer Maske, durch Abstand halten und natürlich, indem sie sich genau über die Situation am Reiseziel informieren. Travel Manager brauchen aber auch die Unterstützung ihrer Partner, um medizinische Hilfeleistungen anzubieten, zum Beispiel die Überführung oder Evakuierung von Reisenden, die unvorhergesehen von Quarantänemaßnahmen betroffen sind. Auch der wirtschaftliche Schutz der Reisenden und der Reiseprogramme muss sichergestellt sein, was durch den Abschluss von Reiseschutzoptionen möglich ist.
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